Ein Absatz, der aus einem Satz besteht, widmet Simenon in diesem Kapitel einem seiner intensivsten Romane: »Drei Zimmer in Manhattan«. Es wäre sein erster Roman über Leidenschaft gewesen und er habe ihn in Sainte-Marguerite geschrieben, mehr lässt er nicht verlauten. Eine Anekdote erzählt er über »Maigret in New York«. Denyse sagte, dass Simenon ihn geschrieben habe und Whisky wäre mit von der Partie gewesen.
In weniger als einem Monat sieht man Simenon wieder frisch in den Regalen stehen. Nicht nur die Maigrets, sondern auch die Intimen Memoiren. So ist klar, dass ich bis dahin nicht fertig sein werde. Schließlich ist nicht das Lesen das, was die Zeit frisst, es der Rückblick und das Schreiben. In diesem Abschnitt, dem 20. Kapitel, geht es um die erste Zeit in Amerika, in der Simenon sich um Verträge und Frauen kümmert.
Das frisch ausgelesene Kapitel ist zwölf Seiten lang. Gefühlt ist das die Durchschnittslänge eines Kapitels in diesem Buch. Dieses Kapitel hat es in jeder Hinsicht in sich: Das nichts normal ist, da Krieg ist und es sich um Simenon handelt, wurde schon in den letzten Kapiteln klar. Aber zu all den Wirren auf die der Schriftsteller keinen Einfluss hatte, kommen nun noch die, die er allein sich selbst zuzuschreiben hat.
Die Top 3 der unangenehmsten Gespräche, die ich führen musste: Auf Platz 3 ein Gespräch mit einem Kunden, der eine Entscheidung mir auferlegte, wohl wissend, dass es seine Entscheidung war und ich, zu allem Überfluss, nur eine Urlaubsvertretung war. Der zweite Platz gehört einer Konfrontation bei dem gleichen Kunden, bei der ich nur Zuhörer war (damit geht der Gruppensieg nach Heide). Platz 1 gehört dem Wehrkreiskommando Potsdam.
Die Katze heischt um Aufmerksamkeit, möchte den Kopf gekrault bekommen. Bei den lustigen Geräuschen, die sie dabei von sich gibt, eine Mischung aus Gurren und Rufen, fällt es ihr leicht, meine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Weiter weg liegt der Kater, erschlagen vom Nichtstun und ich genieße, katergleich, den Nachmittag auf der Terrasse unter blauem Himmel und denke mir, ein Waldgrundstück hätten wir damals auch haben können.
Was kann es für ein größeres Glück geben, als in Frieden zu leben? Es ist interessant, dass Simenon in seinen Tagebuch-Aufzeichnungen, die unter dem Titel »Als ich alt war« erschienen, schrieb, dass er mit der Epoche, in der er lebte, recht zufrieden wäre. Das war immerhin eine Zeit, in der es zwei große Kriege gab, in der Millionen von Menschen umkamen und die Simenon bewusst und hautnah miterlebt hatte.
Mit dem ersten Kind kommt die große Aufregung. Nicht alles geht glatt. Simenon berichtet, dass Tigy nicht genug Milch hatte und nach ein paar Tagen »ausgetrocknet« war. Es fand sich eine Lösung und der Sohn sollte nicht darunter leiden. Der junge Vater war fürchterlich besorgt um sein Kind und geht sogar die aus Lüttich angereiste Großmutter an, sie solle ja vorsichtig mit dem Jungen sein. Gemeint ist dabei seine Schwiegermutter.
Das Lesen der Memoiren erfordert ein Lexikon in der Nähe: Simenon nennt Namen, die einen Klang haben, über die man trotzdem nichts weiß. Beispielsweise Edith Cavell. Nach ihr war das Krankenhaus in Brüssel benannt, in das Simenon seine Frau zur Niederkunft bringen wollte. Es ist nur ein Absatz, in der er auf die britisch-belgische Krankenschwester eingeht, aber das erzeugte Neugierde.
Der Titel soll immer einen Meilenstein darstellen. Bis hierhin bin ich schon gekommen. Es ist so, dass ich recht schnell lese, wenn mich ein Stoff interessiert. Bei diesem Buch ist es ein wenig anders: Es ist sehr interessant, keine Frage, aber ich kann es nicht einfach in einem Rutsch durchlesen. Auf jeder Seite konfrontiert Simenon einen mit interessanten oder skurrilen Details aus seinem Leben und Erleben. Das muss verarbeitet werden.
Man mag es kaum glauben, aber zu diesem Werk von Simenon gibt es bisher hier keine näheren Ausführungen. Das liegt nicht daran, dass 1.200 Seiten zu viel Lesestoff wären. Es liegt vermutlich auch nicht daran, dass das Leben des Schriftstellers nicht interessant wäre. Aber ehrlich: 1.200 Seiten?
Simenon machte um den Krieg einen großen Bogen, schließlich hatte er im ersten Weltkrieg den Einmarsch der Deutschen erlebt. Er kümmerte sich um belgische Flüchtlinge und machte Geschäfte mit deutschen Filmfirmen. Das mochte Geld bringen, aber auch Ungemach...